Und nach dem Urlaub die Trennung? 

von Till Ferneburg

Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres? Nicht immer, denn ein Drittel aller Trennungen finden direkt nach den Sommerferien statt. Und selbst die Frauen und Männer, die sich nicht trennen, geben an, schon einmal während oder unmittelbar nach dem Urlaub an Trennung gedacht zu haben. 

Ein gemeinsamer Urlaub wird uns guttun. Ein Urlaub schmiedet zusammen, schafft Erinnerungen. Denkt man. Doch es ist ein Denkfehler, dass allein die Zeit zu zweit die kriselnde Beziehung wieder ins Lot bringt. Kleinigkeiten, die im Alltag untergehen, bekommen im Urlaub einen Platz an der Sonne. Wenn man 24h am Tag zusammen ist, funktionieren die Mechanismen des Ablenkens, Ausweichens, Vermeidens nicht mehr. Auf einmal sind Macken und Reibungen so präsent wie noch nie zuvor. Alles wird zur Belastungsprobe. Denn Probleme lösen sich im Urlaub nicht auf. Ihr beide spürt, wie ihr euch verhakt, aneinandergeratet, missversteht. 

Damit es zuhause nicht streitend oder schweigend weitergeht, bieten wir erste Schritte an, um in schwierigen Zeiten zu schauen, wo ihr steht. Was ist jetzt wichtig und was ist unwichtig? Was braucht es, um den Totalverlust von Nähe abzustellen und zuhause wieder halbwegs anzukommen? 

Worauf fokussiert ihr euch? 

Eine Freundin von uns teilte neulich ein Meme einer schreienden Frau. Darüber die Frage: „Wie schaffst du das eigentlich alles?“, gefolgt von der lapidaren Antwort: „Ich mach’s einfach und ich betrinke mich hin und wieder mal und eskaliere dann etwas.“ Gewohntes Muster, dieses Funktionieren wollen, Wegschauen, Durchziehen, inklusive Reibung, in Form von Sprüchen, Abwertung, Eskalation. Also business as usual und verborgener Frust, wiederkehrende Traurigkeit und kratzbürstige Wut? Man kann sich in die Arbeit flüchten und die Leere weiterleben. Irgendwann hausen in der Ruine eurer Beziehung zwei Untote. Die Blicke sind eingeübt, ihr seht euch nur kurz in die Augen, und dann gleich am Kopf vorbei in die Ferne. Drei Fragen sollte jeder in einer Partnerschaft für sich beantworten:  

Will ich die Talfahrt unserer Beziehung aufhalten? 

Glaube ich daran, dass sich eine Partnerschaft positiv verändern, wandeln und neu gestalten lässt?

Oder ist meine Entscheidung zur Trennung innerlich bereits gefallen – wenn auch noch nicht ausgesprochen oder vollzogen?

Es kostet Kraft, die Talfahrt ins Verderben zu stoppen. Zu schnell seid ihr schon auf abschüssiger Strecke unterwegs. Aber wenn der Impuls da ist, die ersten beiden Fragen tief innerlich mit JA zu beantworten, dann lässt sich etwas tun. Mit kontinuierlicher Arbeit, genau so, wie ihr euch kennengelernt habt. Das passierte damals auch nicht per Knopfdruck. Das war ein Prozess.  

Das letzte große Abenteuer

Langzeitbeziehungen sind das letzte große Abenteuer unserer Zeit. Mit Bungee-Jumping, Heilfasten mit Ayahuasca oder einer Barfuß-Alpenüberquerung kann dieses Abenteuer locker mithalten. Doch Beziehungen sind keine Selbstläufer, sondern erwarten ein Zutun. Denn Ihr müsst etwas für euch tun. 

Beide, auch wenn dieses mutige Zutun eure Partnerschaft verändern wird. Aber immerhin wäre dann da noch Partnerschaft. Vielleicht sogar mit der Möglichkeit, zu neuen Ufern aufzubrechen, freundschaftlich bis liebevoll. Es kann sogar gelingen, eure Liebe neu füreinander zu entzünden.  

Letztendlich bestimmt die Qualität unserer Beziehungen die Qualität unseres Lebens. Wir forschen seit Jahren, was es dafür braucht, in Beziehung zu sein und daran zu wachsen. Unsere Lösung ist ein Mix aus lebendiger Nähe, vertiefter Kommunikation und einer erotischen Kultur, die jenseits von Klischees inspiriert. Doch die muss man wollen. Es ist ein Weg für Mutige, die es nochmal wissen wollen. Ein Weg, auf dem ihr euch neu entdeckt – auch nach Jahrzehnten.   

Mit unserer Mini-Workshopreihe „Trennung nach dem Urlaub?“ holen wir euch da ab, wo ihr steht: Ihr merkt, es geht nicht mehr. Und ihr habt keinen blassen Schimmer, wie es mit euch weitergehen soll. Es fehlt an Nähe und Verbindung, Austausch und Miteinander. Stattdessen Leerlauf oder ihr giftet euch an. Am ersten Termin geht es um erste Hilfe bzw. erste Schritte, um im Alltag wiederanzukommen. Beim zweiten Termin geht es darum, welche Richtung ihr einschlagen wollt, die Pros und Contras von Schlussstrich oder Neuanfang. 

Schlussstrich oder Neuanfang?   

Niemand kann sagen, wo ihr in einem Jahr steht. Es gibt Paare, die es nicht schaffen, obwohl sie sich unendlich lieben. Und es gibt Paare, die zusammenbleiben, obwohl sie kaum noch etwas verbindet. Uns ist es wichtig, dass Entscheidungen bewusst getroffen und gut umgesetzt bzw. begleitet werden. Auch eine Loslösung voneinander kann freundschaftlich erfolgen oder im jahrelangen giftigen Streit.    

Paare ohne gute Basis für ihre Beziehung schaffen es zwar noch durch den Alltag, aber die Zwangsnähe im Urlaub halten sie nicht aus. Paare, die ihre Basis verloren haben, trennen sich schmerzhaft. Auch hier empfiehlt sich eine professionelle Begleitung. Und letzte gemeinsame Gespräche. Alles ist besser als die abschüssige Todesfahrt ins Verderben. 

Nicht aufgeben zu wollen kann zu einem Neuanfang führen. Oft ist der Impuls dazu schon ein Booster für Veränderung. Sich nicht einzuigeln, sondern auf den Weg zu machen, um euch neu zu entdecken, kann sehr bewegend sein. Ihr lasst euch auf etwas ein, was ihr für lange Zeit vernachlässigt habt: Verbindung. Wollt ihr euch das Fundament anschauen? Für Zukünftiges, damit es überhaupt eine Zukunft gibt? 

Eine Frage der Lebenskunst 

Kunst klingt so besonders. Nennen wir es: Eine Frage von Leben-Können und Leben-Wollen. Womit wollt ihr eure restliche Lebenszeit verbringen? Was ist für dich in dieser Lebensspanne noch drin? Weitere Urlaube? Autokäufe? Gartenarbeit? Restaurantbesuche? Man kann ein gutes Leben für sich alleine haben. Das geht auch zu zweit. Jeder von euch hat sein Hobby und seine Freunde. Verbindend sind die gemeinsamen Verwandten.    

Genauso verbindend können aber auch neue gemeinsame Projekte sein. Projekte, die nicht nur äußerlich Gestalt annehmen, wie eine neue Terrasse oder ein ausgebauter Dachboden. Euch innerlich (neu) zu entdecken und (wieder) anzunähern kann spannender als eine Reise durch das Mekong-Delta sein. Sie kann euch an einen Ort neuer emotionaler Geborgenheit, Zuverlässigkeit und Verständnis bringen. Paare mit einer gemeinsamen Basis entscheiden sich nicht nur ein einziges Mal für den Partner, sondern im Laufe der Beziehung immer wieder. Auch und gerade wenn Beziehungen sich verändern. Nähe und Intimität beginnt immer im Gespräch. Und hört im Reden nicht auf. 

Herausforderung als etwas Schönes

Statt zu verzweifeln, das Schicksal zu bejammern oder achselzuckend zu akzeptieren, könnte die Herausforderung des Sich-wieder-aufeinander-zu-Bewegens ja auch als etwas Schönes angegangen werden. Im Leben gehört eben alles dazu: Karriereknicks, Krankheiten, Kinder, die groß geworden sind. Wandel ist ein elementares Element. Also kann sich auch eure Beziehung wandeln. Liebe muss nicht durch Trott, Routine und Gewohnheit erkalten. Man muss sich nicht abfinden!

Jeder fängt bei sich an. Wohldosierter Abstand, um sich wieder zu sehen; Selbstverwirklichung, um wieder attraktiv zu werden, gehören dazu. Erfrischung und Belebung eures Lebens kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Manchmal gehören Entscheidungen dazu: Ein Mensch verändert sich beruflich, ein anderer Mensch verändert sein Verhalten. Menschen können Altes abstreifen und Neues integrieren.   

Jeff Bridges führt eine der längsten Ehen Hollywoods. Sie ist für ihn „eine Art Spielweise dafür, wie man mit dem Rest der Welt umgeht.“ Wenn man mit jemand zusammen sei, sei man nicht nur zu zweit. Es gäbe ein WIR – ein drittes Wesen, um das man sich kümmert. Das ist ein schöner Gedanke, der für uns großen Sinn macht. 

Wenn ihr in den Ruinen eurer einst stolzen Beziehung haust, dann teilt ihr noch etwas. Die Leerstelle wie die Spannung zwischen euch beiden, die ihr empfindet, ist immer noch besser als gar nichts mehr. Jetzt könntet ihr diese Gemeinsamkeit pflegen… Oder die Aufmerksamkeit darauf richten, wieder lieben zu lernen. Jeff Bridges gehört ein kontinuierliches Verschieben von Grenzen dazu. Ein Leben lang. Niemand darf stehenbleiben, damit keine Risse entstehen. 

Was kommt dabei heraus? Entspannung im Miteinander. Ihr fühlt euch wieder wohler, wenn ihr zusammen seid. Zugewandtheit, Großzügigkeit in Gefühlen und Gedanken, gemeinsame Pläne und Projekte. Ihr nehmt euch wieder wahr und ihr nehmt euch wieder an. Anders ausgedrückt: Ihr entwickelt Liebesfähigkeit. Ihr werdet wieder weich füreinander und am Ende sagt jemand von euch vielleicht den schönen Satz von Jeff Bridges: „Lieben ist eines meiner größten Talente“.